Bei der Addition von rationalen Zahlen, auch rationale Addition genannt, wird die Summe von zwei oder mehr rationalen Zahlen berechnet. Die rationale Addition wird formal auf der Faktormenge der Äquivalenzrelation definiert, die den rationalen Zahlen zugrunde liegt, und ist der Addition von Brüchen nachempfunden. Die Addition von rationalen Zahlen ist sowohl assoziativ als auch kommutativ und besitzt ein neutrales Element. Zu jeder rationalen Zahl existiert darüber hinaus ein additives Inverses.
Dieser Artikel konzentriert sich auf das formale Addieren von rationalen Zahlen. Details zum Rechnen mit Brüchen können im Artikel zur Addition von Brüchen nachgelesen werden.
Die Menge $\Q$ der rationalen Zahlen kann mithilfe einer Äquivalenzrelation $\sim$ auf der Menge von geordneten Paaren ganzer Zahlen formal definiert werden; es gelte:
\[ \forall a,b,c,d \in \Z:\ \bigl(a,b\bigr) \sim \bigl(c,d\bigr) \Leftrightarrow a \cdot d = c \cdot b. \]
Bei der Menge der rationalen Zahlen handelt es sich um die Faktormenge (die Menge der Äquivalenzklassen) der Relation $\sim$; es gilt:
Die Äquivalenzklasse $ {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim$ repräsentiert hierbei konzeptuell die rationale Zahl, die dem Quotienten $\frac{a}{b}$ entspricht.
Rationale Addition
Bei der rationalen Addition handelt es sich um eine innere zweistellige Verknüpfung auf der Menge $\Q$ der rationalen Zahlen. Sie verknüpft zwei Elemente der Faktormenge der Äquivalenzrelation $\sim$ zu einem neuen Element, das der Summe der beiden rationalen Zahlen entspricht. Es gilt (für $a,b,c,d \in \Z$ mit $b \neq 0$ und $d \neq 0$):
\[ \begin{array}{c} \oplus: \Q \times \Q \rightarrow \Q \\[0.5em] {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim \oplus {\bigl[(c,d)\bigr]}_\sim = {\bigl[(a \cdot d + b \cdot c,\ b \cdot d)\bigr]}_\sim. \end{array} \]
Hinweis zur Schreibweise: Anstelle des Operators $\oplus$ wird für die rationale Addition typischerweise ebenfalls der Operator $+$ verwendet. In diesem Artikel wird der Operator $\oplus$ primär verwendet, um die Addition von rationalen Zahlen und die ganzzahlige Addition einfacher unterscheiden zu können.
Beispiele
Beispiel 1: Addition von zwei rationalen Zahlen
Im ersten Beispiel wird exemplarisch die Summe von zwei rationalen Zahlen berechnet. Gegeben seien die folgenden rationalen Zahlen, ihre Darstellungen als Brüche sowie ihre formalen Repräsentationen:
Im zweiten Beispiel wird die Summe von drei rationalen Zahlen berechnet. Gegeben seien die folgenden rationalen Zahlen, ihre Darstellungen als Brüche sowie ihre formalen Repräsentationen:
Hinweis: Wie bei assoziativen Verknüpfungen üblich, kann für die rationale Addition auch eine klammerfreie Notation verwendet werden.
Der Beweis der Assoziativität der Addition von rationalen Zahlen kann durch direktes Nachrechnen erbracht werden. Gegeben seien die folgenden rationalen Zahlen sowie ihre Darstellungen durch die jeweiligen Äquivalenzklassen der Relation $\sim$ (mit $a_1,a_2,a_3,b_1,b_2,b_3 \in \Z$):
Ausklammern von $b_1$ aus $b_1a_2b_3 + b_1b_2a_3$ ergibt $b_1 \cdot (a_2b_3+b_2a_3)$
Die gilt analog zu (4) aufgrund der Distributivität der ganzzahligen Multiplikation über der ganzzahligen Addition
(6)
Aufteilen der Summe $r_1 \oplus \bigl(r_2 \oplus r_3\bigr)$ auf zwei Summanden $r_1$ und $r_2 \oplus r_3$ mithilfe der Definition der Addition von rationalen Zahlen
(7)
Aufteilen der Summe $r_2 \oplus r_3$ auf die Summanden $r_2$ und $r_3$ mithilfe der Definition der rationalen Addition
(8)
Ersetzen der Äquivalenzklassen der Relation $\sim$ durch die rationalen Zahlen $r_1$, $r_2$ und $r_3$
Kommutativität
Die Addition von rationalen Zahlen ist kommutativ. Für $r_1, r_2 \in \Q$ gilt:
\[ r_1 \oplus r_2 = r_2 \oplus r_1. \]
Der Beweis der Kommutativität der Addition von rationalen Zahlen kann durch direktes Nachrechnen erbracht werden. Gegeben seien die folgenden rationalen Zahlen sowie ihre Darstellungen durch die jeweiligen Äquivalenzklassen der Relation $\sim$ (mit $a_1,a_2,b_1,b_2 \in \Z$):
Ersetzen der rationalen Zahlen $r_1$ und $r_2$ durch die entsprechenden Äquivalenzklassen der Relation $\sim$
(2)
Ausrechnen von $r_1 \oplus r_2$ gemäß Definition der Addition von rationalen Zahlen
(3)
Die Gleichheit $a_1b_2 + b_1a_2 = a_2b_1 + b_2a_1$ gilt aufgrund der Kommutativität der ganzzahligen Addition und der ganzzahligen Multiplikation
Die Gleichheit $b_1b_2 = b_2b_1$ gilt aufgrund der Kommutativität der Multiplikation von ganzen Zahlen
(4)
Aufteilen der Summe $r_2 \oplus r_1$ auf die Summanden $r_2$ und $r_1$ mithilfe der Definition der Addition von rationalen Zahlen
(5)
Ersetzen der Äquivalenzklassen der Relation $\sim$ durch die rationalen Zahlen $r_2$ und $r_1$
Neutrales Element
Die rationale Zahl $0 = {\bigl[(0,1)\bigr]}_\sim$ ist das neutrale Element der Addition von rationalen Zahlen. Für $r \in \Q$ gilt:
\[ 0 \oplus r = r = r \oplus 0. \]
Der Beweis, dass die Zahl Null das neutrale Element der Addition von rationalen Zahlen ist, kann durch direktes Nachrechnen erbracht werden. Gegeben seien die folgenden rationalen Zahlen sowie ihre Darstellungen durch die jeweiligen Äquivalenzklassen der Relation $\sim$ (mit $a,b \in \Z$):
\begin{align*} r &= {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim \\[0.5em] 0 &= {\bigl[(0,1)\bigr]}_\sim. \end{align*}
Die Zahl $0$ ist linksneutral bezüglich der Addition, denn es gilt:
\begin{align*} 0 \oplus r &\overset{(1)}{=} {\bigl[(0,1)\bigr]}_\sim \oplus {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim \\[0.5em] &\overset{(2)}{=} {\bigl[(0 \cdot b + 1 \cdot a,\ 1 \cdot b)\bigr]}_\sim \\[0.5em] &\overset{(3)}{=} {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim \\[0.5em] &\overset{(4)}{=} r. \end{align*}
Analog kann gezeigt werden, dass die Zahl $0$ bezüglich der Addition ebenfalls rechtsneutral ist – und somit das neutrale Element der Addition von rationalen Zahlen:
\begin{align*} r \oplus 0 &\overset{(1)}{=} {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim \oplus {\bigl[(0,1)\bigr]}_\sim \\[0.5em] &\overset{(2)}{=} {\bigl[(a \cdot 1 + b \cdot 0,\ b \cdot 1)\bigr]}_\sim \\[0.5em] &\overset{(3)}{=} {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim \\[0.5em] &\overset{(4)}{=} r. \end{align*}
Erklärungen zu den Schritten
(1)
Ersetzen der rationalen Zahlen $r$ und $0$ durch die entsprechenden Äquivalenzklassen der Relation $\sim$
(2)
Ausrechnen von $0 \oplus r$ bzw. $r \oplus 0$ gemäß Definition der Addition von rationalen Zahlen
(3)
Ausrechnen von $0 \cdot b + 1 \cdot a = a$ bzw. $a \cdot 1 + b \cdot 0 = a$
Ausrechnen von $1 \cdot b = b$ bzw. $b \cdot 1 = b$
Bei $1$ handelt es sich um das neutrale Element der ganzzahligen Multiplikation
Bei $0$ handelt es sich um das neutrale Element der ganzzahligen Addition
(4)
Ersetzen der Äquivalenzklasse der Relation $\sim$ durch die rationale Zahl $r$
Inverses Element
Das inverse Element einer rationalen Zahl $r = {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim$ bezüglich der Addition von rationalen Zahlen ist die negierte Zahl $-r = {\bigl[(-a,b)\bigr]}_\sim$. Es gilt:
\[ \bigl( -r \bigr) \oplus r = 0 = r \oplus \bigl( -r \bigr). \]
Der Beweis, dass die negierte Zahl das inverse Element der Addition von rationalen Zahlen ist, kann durch direktes Nachrechnen erbracht werden. Gegeben seien die folgenden rationalen Zahlen sowie ihre Darstellungen durch die jeweiligen Äquivalenzklassen der Relation $\sim$ (mit $a,b \in \Z$):
\begin{align*} r &= {\bigl[(a,b)\bigr]}_\sim \\[0.5em] -r &= {\bigl[(-a,b)\bigr]}_\sim. \end{align*}
Die rationale Zahl $-r$ ist bezüglich der Addition linksinvers zu $r$, denn es gilt:
Analog kann gezeigt werden, dass die rationale Zahl $-r$ bezüglich der Addition ebenfalls rechtsinvers zu $r$ ist – und somit das additive inverse Element:
Ersetzen der rationalen Zahlen $r$ und $-r$ durch die entsprechenden Äquivalenzklassen der Relation $\sim$
(2)
Ausrechnen von $(-r) \oplus r$ bzw. $r \oplus (-r)$ gemäß Definition der Addition von rationalen Zahlen
(3)
Die Gleichheit $-ab + ba = 0$ bzw. $ab - ba = 0$ gilt aufgrund der Kommutativität der ganzzahligen Multiplikation und der Eigenschaft, dass es sich bei $-ab$ um das additive Inverse der ganzen Zahl $ab$ handelt.
(4)
Ersetzen der Äquivalenzklasse $ {\bigl[(0,bb)\bigr]}_\sim$ durch den Standardvertreter $ {\bigl[(0,1)\bigr]}_\sim$
(5)
Ersetzen der Äquivalenzklasse der Relation $\sim$ durch durch die rationale Zahl $0$
Nachweis der Wohldefiniertheit
Für die formale Definition der Addition von rationalen Zahlen ist es notwendig, dass diese wohldefiniert ist, d. h., dass das Ergebnis lediglich von den verknüpften Äquivalenzklassen, aber nicht von den konkreten Repräsentanten der Äquivalenzklassen abhängt.
Gegeben seien ganze Zahlen $a_1,a_2,b_1,b_2,c_1,c_2,d_1,d_2 \in \Z$ mit $b_1 \neq 0$, $b_2 \neq 0$, $d_1 \neq 0$ und $d_2 \neq 0$. Es gelte $(a_1,b_1) \sim (a_2,b_2)$ sowie $(c_1,d_1) \sim (c_2,d_2)$. Gemäß der Definition der Relation $\sim$ gelten somit die folgenden Gleichheiten:
Zum Nachweis der Wohldefiniertheit der Addition von rationalen Zahlen muss gezeigt werden, dass die Summe $(a_1,b_1) \oplus (c_1,d_1)$ unter diesen Voraussetzungen äquivalent zur Summe $(a_2,b_2) \oplus (c_2,d_2)$ ist, dass also
Ausmultiplizieren mithilfe der Distributivität der ganzzahligen Multiplikation über der ganzzahligen Addition
(2)
Ersetzen von $a_1b_2$ durch $a_2b_1$ gemäß Gleichung (I)
Ersetzen von $c_1d_2$ durch $c_2d_1$ gemäß Gleichung (II)
Die Reihenfolge der Faktoren spielt aufgrund der Kommutativität der Multiplikation von ganzen Zahlen keine Rolle
(3)
Umsortieren der Faktoren mithilfe der Kommutativität der ganzzahligen Multiplikation
(4)
Ausklammern von $b_1d_1$ mithilfe der Distributivgesetze für ganze Zahlen
Gemäß der Definition der Relation $\sim$ folgt aus (4) unmittelbar $(a_1d_1+c_1b_1,\ b_1d_1) \sim (a_2d_2+c_2b_2,\ b_2d_2)$ und somit die Wohldefiniertheit der Addition von rationalen Zahlen.