Untervektorraum
Bei einem Untervektorraum (auch Unterraum) handelt es sich um eine Teilmenge eines Vektorraums, bei der es sich selbst um einen Vektorraum handelt.
Definitionen
Untervektorraum
Seien $\mathcal{V} = \bigl(V,\oplus,\odot\bigr)$ ein Vektorraum über einem Körper $\mathcal{K}$ und $U \subseteq V$ eine Teilmenge der Menge $V$. Es handelt sich bei $\mathcal{U} = \bigl(U,\oplus,\odot\bigr)$ um einen Untervektorraum (auch Unterraum) von $\mathcal{V}$, falls es sich bei $\mathcal{U}$ ebenfalls um einen Vektorraum handelt. Dies ist genau dann der Fall, wenn es sich bei $\bigl(U,\oplus\bigr)$ um eine Untergruppe von $\bigl(V,\oplus\bigr)$ handelt, die zudem abgeschlossen bezüglich der skalaren Multiplikation $\odot$ ist, d. h., wenn die folgenden Eigenschaften gelten:
- Die Menge $U$ ist nichtleer: \[ U \neq \emptyset. \]
- Die Menge $U$ ist bezüglich der Vektoraddition $\oplus$ abgeschlossen: \[ \forall u,v \in U: u \oplus v \in U. \]
- Die Menge $U$ ist bezüglich der skalaren Multiplikation $\odot$ abgeschlossen: \[ \forall u \in U, \lambda \in K: \lambda \odot u \in U. \]
Alternative Definitionen
Alternativ zur ersten Bedingung, dass die Menge $U$ nichtleer ist, kann auch die folgende Bedingung gefordert werden:
- Der Nullvektor $0_V$ ist in der Menge $U$ enthalten: \[ 0_V \in U. \]
Stellvertretend für die zweite und dritte Bedingung kann auch die folgende zusammengefasste Bedingung gefordert werden:
- Die Menge $U$ ist bezüglich der Vektoraddition $\oplus$ und der skalaren Multiplikation $\odot$ abgeschlossen: \[ \forall u,v \in U, \lambda,\mu \in K: \bigl(\lambda \odot u\bigr) \oplus \bigl(\mu \odot v\bigr) \in U. \]Für $\lambda=\mu=1_K$ entspricht diese Bedingung der Abgeschlossenheit bezüglich der Vektoraddition $\oplus$, für $\mu=0_K$ entspricht sie der Abgeschlossenheit bezüglich der skalaren Multiplikation $\odot$.
Eigenschaften
Vektorraumeigenschaften
Für die Vektoraddition $\oplus$ gelten die folgenden Eigenschaften:
- Die Menge $U$ ist bezüglich der Vektoraddition $\oplus$ abgeschlossen.
- Das Assoziativ- und das Kommutativgesetz übertragen sich aus dem Vektorraum $\mathcal{V}$.
- Aufgrund der Abgeschlossenheit bezüglich der skalaren Multiplikation $\odot$ gibt es zu jedem Element $u \in U$ das inverse Element $(-1) \odot u = -u$, das ebenfalls in der Menge $U$ enthalten ist.
- Aufgrund der Abgeschlossenheit bezüglich der Vektoraddition $\oplus$ ist dann auch das Element $u \oplus (-u) = 0_V$, der Nullvektor, ein Element der Menge $U$; und somit das neutrale Element der Vektoraddition.
Für die skalare Multiplikation $\odot$ gelten die folgenden Eigenschaften:
- Die Menge $U$ ist bezüglich der skalaren Multiplikation $\odot$ abgeschlossen.
- Die Neutralität des Elements $1_K$ bezüglich der skalaren Multiplikation überträgt sich aus dem Vektorraum $\mathcal{V}$.
- Die Assoziativität, Kommutativität und Distributivität der skalaren Multiplikation übertragen sich aus dem Vektorraum $\mathcal{V}$.
Somit erfüllt $(U,\oplus,\odot)$ sämtliche Eigenschaften eines Vektorraums und ist folglich selbst ein Vektorraum.
Schnitt von Untervektorräumen
Seien $\mathcal{U}_1 = \bigl(U_1,\oplus,\odot\bigr)$ und $\mathcal{U}_2 = \bigl(U_2,\oplus,\odot\bigr)$ zwei Untervektorräume eines Vektorraums $\mathcal{V} = \bigl(V,\oplus,\odot\bigr)$, dann handelt es sich bei ihrem Schnitt $\mathcal{U}_1 \cap \mathcal{U}_2 = \bigl(U_1 \cap U_2, \oplus, \odot\bigr)$ mit
sowohl um einen Untervektorraum von $\mathcal{U}_1$ als auch um einen Untervektorraum von $\mathcal{U}_2$.
Dass es sich beim Schnitt $\mathcal{U}_1 \cap \mathcal{U}_2$ um einen Untervektorraum handelt, kann durch Überprüfen der Kriterien eines Untervektorraums gezeigt werden:
- Die Schnittmenge $U_1 \cap U_2$ ist nichtleer; es gilt: \[ \begin{array}{l} 0_V \in U_1 \wedge 0_V \in U_2 \\[0.5em] \quad\Rightarrow 0_V \in U_1 \cap U_2 \\[0.5em] \quad\Rightarrow U_1 \cap U_2 \neq \emptyset. \end{array} \]
- Die Schnittmenge $U_1 \cap U_2$ ist bezüglich der Verknüpfung $\oplus$ abgeschlossen; es gilt: \[ \begin{array}{l} u,w \in U_1 \cap U_2 \\[0.5em] \quad\Rightarrow u,w \in U_1 \wedge u,w \in U_2 \\[0.5em] \quad\Rightarrow u \oplus w \in U_1 \wedge u \oplus w \in U_2 \\[0.5em] \quad\Rightarrow u \oplus w \in U_1 \cap U_2. \end{array} \]
- Die Schnittmenge $U_1 \cap U_2$ ist bezüglich der Verknüpfung $\odot$ abgeschlossen; es gilt: \[ \begin{array}{l} u \in U_1 \cap U_2 \\[0.5em] \quad\Rightarrow u \in U_1 \wedge u \in U_2 \\[0.5em] \quad\Rightarrow \lambda \odot u \in U_1 \wedge \lambda \odot u \in U_2 \\[0.5em] \quad\Rightarrow \lambda \odot u \in U_1 \cap U_2. \end{array} \]
Allgemein: Beim Schnitt $\mathcal{U}_1 \cap \ldots \cap \mathcal{U}_n$ von mehr als zwei Untervektorräumen eines Vektorraums $\mathcal{V}$ handelt es sich um einen Untervektorraum von $\mathcal{U}_1, \ldots, \mathcal{U}_n$.
Vereinigung von Untervektorräumen
Seien $\mathcal{U}_1 = \bigl(U_1,\oplus,\odot\bigr)$ und $\mathcal{U}_2 = \bigl(U_2,\oplus,\odot\bigr)$ zwei Untervektorräume eines Vektorraums $\mathcal{V} = \bigl(V,\oplus,\odot\bigr)$. Die Vereinigung $\mathcal{U}_1 \cup \mathcal{U}_2 = \bigl(U_1 \cup U_2, \oplus, \odot\bigr)$ der Untervektorräume $\mathcal{U}_1$ und $\mathcal{U}_2$ mit
ist nur dann ein Untervektorraum, wenn $U_1 \subseteq U_2$ oder $U_2 \subseteq U_1$ gilt – im Allgemeinen ist $U_1 \cup U_2$ jedoch kein Untervektorraum, da die Vereinigung zwar abgeschlossen bezüglich der skalaren Multiplikation, jedoch nicht abgeschlossen bezüglich der Vektoraddition ist.
Summe von Untervektorräumen
Seien $\mathcal{U} = \bigl(U,\oplus,\odot\bigr)$ und $\mathcal{W} = \bigl(W,\oplus,\odot\bigr)$ zwei Untervektorräume eines Vektorraums $\mathcal{V} = \bigl(V,\oplus,\odot\bigr)$, dann handelt es sich bei ihrer Summe $\mathcal{U} + \mathcal{W} = \bigl(U + W, \oplus, \odot\bigr)$ mit
um einen Untervektorraum von $\mathcal{V}$. Es handelt sich bei $\mathcal{U}+\mathcal{W}$ um den kleinsten Untervektorraum, der $U \cup W$ beinhaltet.
Dass es sich bei der Summe $\mathcal{U} + \mathcal{W}$ um einen Untervektorraum handelt, kann durch Überprüfen der Kriterien eines Untervektorraums gezeigt werden:
- Die Menge $U + W$ ist nichtleer; es gilt: \[ \begin{array}{l} 0_V \in U \wedge 0_V \in W \\[0.5em] \quad\Rightarrow 0_V + 0_V \in U + W \\[0.5em] \quad\Rightarrow 0_V \in U + W \\[0.5em] \quad\Rightarrow U + W \neq \emptyset. \end{array} \]
- Die Menge $U + W$ ist bezüglich der Verknüpfung $\oplus$ abgeschlossen; es gilt: \[ \begin{array}{l} u_1 \oplus w_1, u_2 \oplus w_2 \in U + W \\[0.5em] \quad\Rightarrow u_1,u_2 \in U \wedge w_1,w_2 \in W \\[0.5em] \quad\Rightarrow u_1 \oplus u_2 \in U \wedge w_1 \oplus w_2 \in W \\[0.5em] \quad\Rightarrow (u_1 \oplus u_2) \oplus (w_1 \oplus w_2) \in U + W. \end{array} \]
- Die Menge $U + W$ ist bezüglich der Verknüpfung $\odot$ abgeschlossen; es gilt: \[ \begin{array}{l} u \oplus w \in U + W \\[0.5em] \quad\Rightarrow u \in U \wedge w \in W \\[0.5em] \quad\Rightarrow \lambda \odot u \in U \wedge \lambda \odot w \in W \\[0.5em] \quad\Rightarrow (\lambda \odot u) \oplus (\lambda \odot w) \in U + W \\[0.5em] \quad\Rightarrow \lambda \odot (u \oplus w) \in U + W. \end{array} \]
Allgemein: Bei der Summe $\mathcal{U}_1 + \ldots + \mathcal{U}_n$ von mehr als zwei Untervektorräumen eines Vektorraums $\mathcal{V}$ handelt es sich um einen Untervektorraum von $\mathcal{V}$.
Transitivität
Es handelt sich bei der Untervektorraumbeziehung um eine transitive Relation: Ist $\mathcal{W}$ eine Untervektorraum von $\mathcal{U}$ und ist $\mathcal{U}$ eine Untervektorraum von $\mathcal{V}$, so ist auch $\mathcal{W}$ ein Untervektorraum von $\mathcal{V}$.
Beispiele
Beispiel 1
Gegeben sei die folgende Teilmenge $U_1$ des Koordinatenraums $\R^3$:
Es handelt sich bei $U_1$ um einen Unterraum des $\R^3$, da sämtliche Kriterien eines Untervektorraums erfüllt sind:
- Es gilt $0 \in U_1$ und somit $U_1 \neq \emptyset$.
- Die Menge $U_1$ ist abgeschlossen bezüglich der Vektoraddition. Für $u = \bigl(u_1,u_2,2u_1-u_2\bigr) \in U_1$ und $w = \bigl(w_1,w_2,2w_1-w_2\bigr) \in U_1$ gilt: \begin{align*} u+w &= \begin{pmatrix} u_1 \\[0.25em] u_2 \\[0.25em] 2u_1-u_2 \end{pmatrix} + \begin{pmatrix} w_1 \\[0.25em] w_2 \\[0.25em] 2w_1-w_2 \end{pmatrix} \\[0.5em] &= \begin{pmatrix} u_1+w_1 \\[0.25em] u_2+w_2 \\[0.25em] 2u_1-u_2 + 2w_1-w_2 \end{pmatrix} \\[0.5em] &= \begin{pmatrix} {\color{CornflowerBlue}u_1+w_1} \\[0.25em] {\color{Orange}u_2+w_2} \\[0.25em] 2 \cdot {\color{CornflowerBlue}(u_1+w_1)} - {\color{Orange}(u_2+w_2)} \end{pmatrix} \in U_1. \end{align*}
- Die Menge $U_1$ ist abgeschlossen bezüglich der skalaren Multiplikation. Für $u = \bigl(u_1,u_2,2u_1-u_2\bigr) \in U_1$ und $\lambda \in \R$ gilt: \begin{align*} \lambda u &= \lambda \cdot \begin{pmatrix} u_1 \\[0.25em] u_2 \\[0.25em]2u_1-u_2 \end{pmatrix} \\[0.5em] &= \begin{pmatrix} \lambda u_1 \\[0.25em] \lambda u_2 \\[0.25em] \lambda \cdot (2u_1-u_2) \end{pmatrix} \\[0.5em] &= \begin{pmatrix} {\color{CornflowerBlue}\lambda u_1} \\[0.25em] {\color{Orange}\lambda u_2} \\[0.25em] 2 \cdot {\color{CornflowerBlue}\lambda u_1} - {\color{Orange}\lambda u_2} \end{pmatrix} \in U_1. \end{align*}
Beispiel 2
Gegeben sei die folgende Teilmenge $U_2$ des Koordinatenraums $\R^3$:
Es handelt sich bei $U_2$ nicht um einen Unterraum des $\R^3$, da der Nullvektor nicht in $U_2$ enthalten ist. Für diesen gilt $2 \cdot 0 - 0 + 5 \cdot 0 = 0 \neq 1$.
Beispiel 3
Gegeben sei die folgende Teilmenge $U_3$ des Koordinatenraums $\R^3$:
Es handelt sich bei $U_3$ nicht um einen Unterraum des $\R^3$, da die Menge bezüglich der skalaren Multiplikation nicht abgeschlossen ist. Es gilt beispielsweise $u = \bigl( 1,1,1 \bigr) \in U_3$, aber $-u = \bigl(-1,-1,-1\bigr) \notin U_3$.
Beispiel 4
Gegeben sei die folgende Teilmenge $U_4$ des Koordinatenraums $\R^3$:
Es handelt sich bei $U_4$ nicht um einen Unterraum des $\R^3$, da die Menge bezüglich der skalaren Multiplikation nicht abgeschlossen ist. Es gilt beispielsweise $u = \bigl( 1,1,1 \bigr) \in U_4$, aber $2u = \bigl(2,2,2\bigr) \notin U_4$.
Beispiel 5
Es handelt sich bei der Teilmenge aller Polynome mit Maximalgrad $n \in \N$ um einen Unterraum des Polynomraums aller Polynome mit Koeffizienten aus einem Körper $\mathcal{K}$.
Beispiel 6
Es handelt sich bei der Menge aller reellen Funktionen $f: \R \rightarrow \R$ mit $f(x) = f(-x)$ um einen Unterraum des Funktionenraums aller reellen Funktionen.